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Sucht: lebenslanger Begleiter
Foto: Bits and Splits/ stock.adobe.com

Sucht: lebenslanger Begleiter

Lesedauer: ca. 2 Min. | Text: _Redaktion _RDN

Günter Becker* ist spielsüchtig. Hilfe fand er bei einer Selbsthilfegruppe der Fachstelle Sucht der Diakonie.

Günter Becker verfügt bis heute weder über Bargeld noch über einen Kontozugang. „Ich habe mich bei meiner Bank sperren lassen.“ Der 73-Jährige will keinen Rückfall riskieren, obwohl er seit 30 Jahren spielfrei ist. Spielsucht ist im Gegensatz zu Cannabis-, Alkohol- oder Medikamentensucht nicht substanzbezogen. Für Becker aber ist „Geld eindeutig der Treibstoff der Glücksspielabhängigkeit“. Deshalb laufen alle Geldgeschäfte über seine Frau. „Mehr als drei Euro habe ich nie bei mir. Wenn ich einkaufe oder tanke, gibt mir meine Frau abgezähltes Geld mit“, sagt er. 1986 wollte sich Becker erstmals am Spielautomaten vom Arbeitsstress ablenken, hat etwas gewonnen und dachte, das geht immer so weiter.

Sechs Jahre später und etwa 10.000 DM ärmer konnte er seine Spielsucht nicht länger vor seiner Frau verbergen. Der Recklinghäuser wandte sich an die Selbsthilfegruppe der Diakonie, Fachstelle Sucht, in Herten. 1994 ging der Leiter der Gruppe für längere Zeit in die USA, sein Stellvertreter machte Urlaub und drückte Becker den Schlüssel für den Gruppenraum in die Hand. Irgendwie tauchten beide nicht mehr auf, und Günther Becker übernahm die Leitung. „Wir waren 16 bis 20 Leute, zwischen 20 und über 70 Jahre alt, Rechtsanwälte, Handwerker, Bänker, Betroffene und Angehörige. Mehr Männer als Frauen. In den Spielhallen sind zwar viele Frauen, aber die gehen seltener zu einer Gruppe.“ 

"In unserer Gruppe haben wir immer so ein
Gedankenspiel: Was würdest du tun, wenn
Du auf der Straße 100 Euro findest?" Günter Becker

 

„Wir waren sehr ehrlich miteinander, und niemand hat jemandem Vorwürfe bei einem Rückfall gemacht.“ Im Laufe der Jahre sind die Mitglieder jünger geworden, die Süchte haben sich ins Internet verlagert. Casino-Sucht tritt nur noch sehr selten auf; 50 Prozent der Abhängigen spielen an Automaten, zehn Prozent machen Sportwetten, 35 bis 40 Prozent sind online unterwegs. „Früher gab es in den Spielhallen belegte Brötchen, Kaffee und Zigaretten – das ist vorbei. Heute gibt es Automaten, die nach einer Stunde eine Ruhepause einlegen und Spielhallen, in denen man pro Monat maximal 1.000 Euro verspielen kann.“ Doch die Sucht ist ein lebenslanger Begleiter. „In unserer Gruppe haben wir ein Gedankenspiel: Was würdest du tun, wenn du 100 Euro findest? Wenn du sie deiner Frau gibst, könnte sie denken, dass du das Geld beim Spielen gewonnen hast und rückfällig geworden bist. Behältst du sie, bist du in großer Versuchung, tatsächlich wieder zu spielen.“

* Name von der Redaktion geändert

Info Diakonisches Werk im Kirchenkreis Recklinghausen
Diakonisches Werk im Kirchenkreis Recklinghausen

Elper Weg 89
45657 Recklinghausen

www.diakonie-kreis-re.de

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