Zum Inhalt springen
Endlich „Balsam für die Seele“
Cafés und Restaurants dürfen wieder öffnen. Das Bild entstand vor Corona. Foto: Quelle/Copyright Stadt Recklinghausen.

Endlich „Balsam für die Seele“

Lesedauer: ca. 4 Min. | Text: Mine Öziri

Restaurants und Cafés dürfen ab sofort draußen öffnen. Dennoch ist einigen Gastronomen das Spiel mit der Inzidenz zu heiß.

Der Enthusiasmus in der Bevölkerung über die Ankündigung, dass die Außengastronomie wieder öffnen darf, ist groß. Sia Hadifan ist Geschäftsführer des S.Presso in Recklinghausen und berichtet, dass er bereits einige Minuten nach der Verkündung über die gesunkene Inzidenz zahlreiche Anrufe mit Reservierungswünschen erhielt.

Die aktuelle Coronaschutzverordnung vom 15. Mai spaltet die Gastronomen allerdings in zwei Lager: die einen teilen die Sehnsucht ihrer Gäste und rüsten sich mit Schirmen und Heizstrahlern für eine zeitnahe Wiederöffnung, die anderen sind skeptisch und warten weiter ab. Immerhin tragen sie die Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wollen ihren Gästen die gewohnte Qualität bieten.

Carmelo Cinquemani, Besitzer des Restaurants mit langjähriger Tradition in Recklinghausen, bringt es auf den Punkt: „Wenn ich jetzt draußen öffne, muss ich tagesfrische Waren einkaufen, für die ich in Vorleistung gehe und jeden meiner Angestellten aus der Kurzarbeit holen; Mit der Aussicht, dass ich dann zittern muss, ob Reservierungen wetterbedingt platzen und Inzidenzzahlen nicht doch wieder steigen? Das kann ich nicht verantworten“, sagt er.

Für viele Betriebe war es aufwendig, die Kurzarbeit sowie die Überbrückungshilfen ins Rollen zu bringen. Nichts wäre Carmelo Cinquemani lieber als „wieder tolle italienische Gerichte zu zaubern und in die strahlenden Gesichter seiner Gäste zu schauen“, sagt der Restaurantbesitzer, aber die Ausgangslage bleibt ungewiss. Wer nun öffnet, ist verpflichtet alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zu holen, ohne Gewissheit darüber zu haben, dass es hierbei bleibt.

Das Thema geht ihm nah und er versteht nicht, warum er nicht drinnen öffnen darf, obwohl er ein Hygienekonzept und Trennwände vorweisen kann. „Besonders ärgere ich mich, wenn mich meine Freunde aus dem Mallorca-Urlaub anrufen, während sie alle beisammen im Restaurant sitzen. Dieses Geld könnten wir doch nun wirklich im eigenen Land gut gebrauchen,“ sagt er verärgert.

Wiedereröffnung für viele kleine Betriebe einfach zu riskant

Auch das „S.Presso“ in Recklinghausen erklärt auf seiner Facebook-Seite, dass sie nicht öffnen werden, da die aktuelle Regelung mit der „heißen Nadel gestrickt“ sei und keine Bedingungen für eine „faire Wiedereröffnung“ bereithalte. Die Erklärung trifft auf großes Verständnis: die Fans kommentieren die Erklärung des Cafés mit Posts wie „absolut nachvollziehbar“ und „schade, aber verständlich“.  Mehr noch als um seine Gäste, sorgt sich Sia Hadifan um sein Team. „Die müssen seit Monaten mit 70 -80 Prozent ihrer Gehälter und ohne Trinkgelder auskommen, auch das übt Druck auf mich aus“, sagt er. Aber eine „übereilte Wiedereröffnung unter diesen Umständen wäre schlicht unwirtschaftlich“ betont er.

Bei „Feinkost Riechmann“ in Waltrop erklärt uns Gaby Schwarz, dass sie sich gegen eine Öffnung der Terrasse entschieden haben, weil es dann kein Zurück mehr gibt. „Wenn wir erst einmal wieder hochfahren, können wir nicht mal eben wieder runterfahren. Also warten wir“, erklärt sie. Auch das Lokal „Mutter Wehner“ in Oer-Erkenschwick bittet auf Facebook um Verständnis, dass sie vorerst nicht öffnen. Gastronomen, wie die Familie Schulte-Scherlebeck in Herten, befürchten unter diesen Umständen sogar „Stammkunden zu vergraulen, die man wegschicken muss, weil sie keinen Test haben oder nicht geimpft sind.“

Die, die eröffnen, wollen ein Zeichen setzen

Diana Brauckmann hingegen erklärt, dass sowohl das „the italian“ als auch „Boente“ zeitnah öffnen. „Wir haben die Terrasse auf dem Marktplatz mit einem Traversensystem abgesperrt, werden jeden einzelnen Gast auf die 3-G-Regel überprüfen und ggf. Hilfe bei der Registrierung mit der CHEKKO App leisten. Das ist in der Tat alles sehr aufwendig, aber unterm Strich überwiegt unsere Freude, wieder Vollgas geben zu können“, sagt sie.

Brigitta Stromberg, Inhaberin des gleichnamigen Gasthauses in Waltrop, gibt ebenfalls klar zu verstehen: „Wir haben Lust wieder zu arbeiten. Wenn wir dürfen, öffnen wir auch.“ Hier wird die Außengastronomie Freitag und Samstag (am Standort in der Innenstadt) sowie Sonntag und Montag (auf dem Zechengelände) in Betrieb genommen und bei gutem Wetter fortgeführt. Ansonsten heißt es weiterhin „Take Away“.

In Datteln planen das neu eröffnete Restaurant Gogossi und Ninas Vino zeitnah zu öffnen. Gabi Hasenberg, Eigentümerin von Johnny Canone, gibt offen zu, dass sie ein wenig Bauchschmerzen hat, aber die Freude über den Start überwiegt. „Wir müssen den Menschen doch Hoffnung geben“, sagt sie. Niyac Sehic von Nick’s Steakhouse in Oer-Erkenschwick sieht das genauso. Er hat eine Terrasse und einen Wintergarten. „Sollte das Ordnungsamt auch den Wintergarten freigeben, ist es perfekt“, sagt er. 

Die Menschen im Vest atmen auf

Allein die Vorstellung, sich nach langer Zeit wieder verwöhnen zu lassen und den Außenbereich eines Cafés oder Restaurants zu besuchen, in dem buntes Treiben herrscht, stimmt die meisten glücklich. Die sieben Monate Lockdown beschreiben viele in einem Wort zusammengefasst so: monoton. Essen gehen mit der Familie, ein Drink mit Freunden oder arbeiten im Café. Die aktuelle Lockerung scheint das Licht am Ende des Corona-Tunnels zu sein, auf das viele gewartet haben. Aufgrund des Wetters und schwankender Inzidenzzahlen bleiben die Gastronomen bei der Öffnungsfrage aber weiter gespalten. Der Schlüssel zum Glück scheint die 50. Erst wenn diese Inzidenz erreicht ist, werden auch alle Restaurants und Cafés wieder öffnen.

Hier nur einige der Betriebe, die zeitnah öffnen:

Info
Corona: Testmöglichkeiten im Kreis

www.kreis-re.de/coronatest

Artikel teilen:

Mehr aus Ihrem Vest: