Langendorf produziert in Waltrop und Polen Sattelauflieger und Anhänger und liefert in die ganze Welt. Unternehmer Dr. Klaus P. Strautmann spricht über Auswirkungen des Krieges, über Abhängigkeiten – und wie man sie überwindet.
Sie haben erst im November in Polen ein neues Werk eröffnet, zum Glück nicht allzu nah an der ukrainischen Grenze. Fürchten Sie, dass der Krieg sich ausweiten könnte?
Dr. Klaus Strautmann: Unser Werk in Wielun liegt mitten auf dem Land, weit weg von der ukrainischen Grenze. Dort gibt es keine Angst vor einer direkten Betroffenheit. Das ist allerdings in den Ballungsräumen ganz anders: Im Warschau macht man sich schon Sorgen wegen der nahen Kriegshandlungen.
Sie haben aufgrund Ihrer internationalen Tätigkeit sicher früh Kenntnis über die zunehmenden Spannungen in der Ukraine gehabt. Hätten Sie einen militärischen Konflikt, zumal einen Angriffskrieg in dieser Härte, erwartet?
Nein. Im Grunde haben wir uns doch alle nicht mehr vorstellen können, dass es in Europa wieder Krieg geben könnte! Deshalb müssen wir jetzt vor allem unseren Nachbarn in Polen, die bereits Millionen Flüchtlinge aufgenommen haben, helfen und Polen international den Rücken stärken. Im politischen Warschau sind sich viele nicht sicher, wie man in der EU zu Polen steht. Das darf nicht sein: Wir in Zentraleuropa müssen zusammenhalten, und wir müssen versuchen, sukzessive eine europäische Identität zu installieren.
Wie ist die Stimmung unter Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Ihren polnischen Standorten?
Wir haben in unseren polnischen Werken viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus der Ukraine stammen – die machen sich natürlich große Sorgen um ihre Heimat, um Angehörige und Freunde, und sind sehr beunruhigt.
Können Sie sich vorstellen, welche Dimensionen die Fluchtbewegung annehmen könnte, wenn der Krieg in der Ukraine lange andauern sollte?
Obwohl niemand weiß, wie der Krieg sich entwickeln wird, erwarten alle Experten eine lang anhaltende, breite Fluchtbewegung aus der Ukraine. Je der, der ein bisschen nachdenkt, wird das Land verlassen – denn es wird auf absehbare Zeit nicht attraktiv sein, dort zu leben. Darauf sollten wir uns einstellen. Viele Menschen werden nach Deutschland kommen, weil sie hier persönliche Bindungen zu Verwandten oder Freunden haben.
Sind wir darauf vorbereitet, die Menschen aufzunehmen?
Ich glaube, wir sind im Umgang mit Flüchtlingen zum Glück schon erfahren, und wir werden diese Herausforderung meistern. Allerdings sollten wir von vornherein von einer längeren Aufenthalt ausgehen – anderthalb, vielleicht zwei Jahre, vielleicht mehr, in denen wir ein Chaos vermeiden müssen. Die Frage ist: Wie überbrücken, wie nutzen wir diese wir diese Zeit sinnvoll?
In Deutschland herrscht seit Jahren Fachkräftemangel, viele Ukrainer sind gut ausgebildet. Denken Sie, dass die Geflüchteten auch dauerhaft eine Zukunft bei uns haben?
Warum denn nicht? Kulturell gibt es aus meiner Sicht gar keine Probleme oder Hürden. Ich glaube, dass sich die Menschen aus der Ukraine sehr viel schneller integrieren werden als bei früheren Fluchtbewegungen. Und so bitter es ist: In manchen Bereichen wie bei der Pflege, die unter akutem Personalmangel leiden, werden wir wahrscheinlich durch die ankommenden Menschen eine Entlastung des Arbeitsmarktes bekommen – wenn wir ihnen echte berufliche Chancen eröffnen. Und es bedeutet natürlich auch, dass wir für diese Menschen dringend Wohnungen bauen müssen, da der Wohnraum schon vorher knapp war.
Fehlende Kabelbäume aus ukranischer Produktion schränken die Produktion von Pkw gerade stark ein. Inwieweit ist auch Langendorf von Ausfällen in der Lieferkette betroffen?
Bei uns sind die Ausfälle aufgrund des Krieges noch gering. Durch die Sanktionen hat es einige Stornierungen von Bestellungen aus Russland gegeben. Im Moment stören uns eher fehlende Halbleiter aus Taiwan. Allerdings schaffen unsere Kunden bei der Bestellung eines Aufliegers oft auch eine neue Zugmaschine an – und da gibt es massive Ausfälle. Einige große Hersteller wie der VW Konzern sind abhängig von Lieferungen aus der Ukraine. Es fehlt auch kaltgewalzter Stahl aus der Ukraine, und Aluminium ist im Preis hochgegangen. All das verdeutlicht, wie verletzlich unsere globalisierte Wirtschaft ist.
Die Globalisierung ist ja an sich nichts Neues, sondern ein langfristiger Prozess. Sprechen Sie also Probleme an, die erst jetzt zutage treten?
Durch die Krisen offenbart sich leider eine Abhängigkeit von falschen oder nicht zukunftsträchtigen Energien, ebenso wie eine Abhängigkeit von Billiglohnländern. Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir von preiswerten Im portwaren profitieren – teilweise auf dem Rücken von Menschen, die für einen Euro die Stunde oder weniger arbeiten. Das haben wir gewusst, aber erfolgreich verdrängt. Ich sehe darin eine mangeln de Bereitschaft, sich dem Neuen und notwendigen Veränderungen zu stellen.
Die Corona-Krise ist kaum ausgestanden, da schafft der Krieg – neben dem großen menschlichen Leid – auch neue Störungen im Wirtschaftsgefüge. Lässt sich aus Krisen etwas lernen?
Ich glaube schon. Sowohl die CoronaKrise als auch jetzt der Krieg haben uns schmerzlich vor Augen geführt, wie sehr wir uns abhängig gemacht haben von Lieferungen aus aller Welt. Aus dieser Falle kommen wir nur durch eine Krise heraus. Dazu müssen wir allerdings erst einmal wahrnehmen, dass wir eine Krise haben – und bereit sein, Veränderungen für uns selbst in Kauf zu nehmen. Wir müssen Abhän gigkeiten verringern und Notwendig keiten einsehen: Wenn wir keine eigenen Rohstoffe haben und keine Atomkraft wollen – dann muss ich vielleicht akzeptieren, dass ich beim Blick aus dem Fenster ein Windrad sehe, auch wenn mir das persönlich nicht gefällt.